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Datum: 03.04.2020

Landkreis lehnt Abriss des Speichers in Oranienburg ab

Denkmalrechtliche Erlaubnis wird versagt / Erhalt des stadtbildprägenden Einzeldenkmals ist zumutbar

Der denkmalgeschützte Kornspeicher in Oranienburg.

© Landkreis Oberhavel

Mit Schreiben vom 01.04.2020 hat der Landkreis Oberhavel abgelehnt, eine Erlaubnis für den Abriss des Oranienburger Speichers zu erteilen. Die untere Denkmalschutzbehörde begründet ihre Entscheidung mit der besonderen Schutzwürdigkeit des Denkmals und der nicht nachgewiesenen Unwirtschaftlichkeit des Erhalts.

Denn bei dem Silogebäude der Oranienburger Dampfmühle handelt es sich um ein Einzeldenkmal, das aufgrund seiner historischen und städtebaulichen Bedeutung in die Denkmalliste aufgenommen wurde. Es handelt sich um eines der frühesten Bauwerke aus Eisenbeton, das in der Region errichtet wurde und ist ein herausragendes Zeugnis für die Industrialisierung Oranienburgs. Der Speicher bestimmt die Stadtsilhouette und ist damit stadtbildprägend und Identität stiftend. Der Abriss des Denkmals ist gemäß §9 Abs.1 des Brandenburgischen Denkmalschutzgesetzes (BbgDSchG) erlaubnispflichtig.

Seit dem 26.08.2019 liegt der unteren Denkmalschutzbehörde ein Antrag der TAS OR Speicher GmbH & Co KG auf Abbruch des denkmalgeschützten Gebäudes vor. Diesen hatte die untere Denkmalschutzbehörde umfassend geprüft. Zugleich musste zu der Entscheidung der unteren Denkmalschutzbehörde das Benehmen durch das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum hergestellt werden. Bereits mit Schreiben vom 02.09.2019 war der TAS OR Speicher GmbH & Co. KG mitgeteilt worden, dass für einen Abbruch des Denkmals eine denkmalrechtliche Erlaubnis erforderlich ist, da das Bauwerk ein in der Denkmalliste des Landes Brandenburg eingetragenes Einzeldenkmal ist. Am 27.09.2019 hatte die TAS OR Speicher GmbH & Co. KG dem Landkreis Oberhavel schließlich die Einleitung der Abbruchmaßnahmen des ehemaligen Kornspeichers angezeigt. Vorsorglich hatte der Landkreis Oberhavel daraufhin einen Baustopp für Abbrucharbeiten am Kornspeicher ausgesprochen und dessen sofortigen Vollzug angeordnet.

Am 06.12.2019 hatte der Landkreis Oberhavel mit einem Anhörungsschreiben die TAS OR Speicher GmbH & Co KG darüber informiert, dass die untere Denkmalschutzbehörde nach eingehender Prüfung eine Genehmigung für den Abriss des seit 1995 denkmalgeschützten Kornspeichers in Oranienburg nicht in Aussicht stellen kann. Denn laut §7 des Brandenburgischen Denkmalschutzgesetzes (BbgDSchG) haben Eigentümer von Denkmalen diese im Rahmen des Zumutbaren nach denkmalpflegerischen Grundsätzen zu erhalten, zu schützen und zu pflegen. Der Erhalt eines Denkmals ist unzumutbar und die Genehmigung zum Abbruch wäre zu erteilen, wenn die Kosten der Erhaltung und Bewirtschaftung des Denkmals dauerhaft nicht durch die Erträge oder den Gebrauchswert aufgewogen werden. Dies ist hier nach Auffassung der unteren Denkmalschutzbehörde durch die Betrachtung des gesamten Areals einschließlich des Neubauvorhabens nicht der Fall.

Da es sich vorerst um eine Anhörung der unteren Denkmalschutzbehörde handelte, hatte die  TAS Unternehmensgruppe die Möglichkeit, sich persönlich oder schriftlich zum Sachverhalt zu äußern. Das hat sie mit Schreiben vom 05.02.2020 fristgerecht getan. Angeführt wird dabei insbesondere, dass die Erhaltung des Speichers wirtschaftlich unzumutbar und die Einbeziehung des Nachbarbauvorhabens unzulässig sei.

Der vorgebrachten Argumentation konnte die untere Denkmalschutzbehörde nicht folgen. „Es ist nicht nachgewiesen, dass den Belangen des Denkmalschutzes überwiegende Interessen von Ihnen [Anm.: der TAS OR Speicher GmbH & Co. KG] am Abriss des Gebäudes entgegenstehen", heißt es im Bescheid. Dies wäre eine der Voraussetzungen für die Erteilung einer Abbrucherlaubnis. Die Voraussetzungen sind somit nicht erfüllt.

„Für die Erteilung einer denkmalrechtlichen Erlaubnis zum Abbruch des Speichers ist ein hoher Maßstab anzulegen", erklärt Egmont Hamelow, Dezernent für Bauen, Wirtschaft und Umwelt: „Schließlich hätte die Beseitigung des Denkmals einen unwiederbringlichen Verlust zur Folge. Ein Abriss wäre deshalb nur dann gerechtfertigt, wenn der Erhalt des Denkmals faktisch nicht mehr möglich wäre oder wenn es dem Eigentümer nicht zugemutet werden kann, das Gebäude zu erhalten."

Beim Erwerb des Silogebäudes waren der TAS OR Speicher GmbH & Co. KG der Denkmalstatus des Gebäudes sowie der grundsätzliche Instandsetzungsbedarf bekannt. "Die damit verbundenen Einschränkungen und der zu erwartende finanzielle Aufwand wurden daher bewusst in Kauf genommen", schätzt die untere Denkmalschutzbehörde in ihrem ablehnenden Bescheid ein. „Das Risiko hat die TAS freiwillig übernommen", sagt Hamelow.

Grundlage der Prüfung der Zumutbarkeit durch die untere Denkmalschutzbehörde ist unter anderem die Verwaltungsvorschrift des Brandenburgischen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur zur Prüfung der Zumutbarkeit im Rahmen von Erlaubnisverfahren und ordnungsrechtlichen Verfahren nach dem BbgDSchG vom 16.04.2009. Dort wird in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgeführt: „Ist das Schutzobjekt Teil einer wirtschaftlichen Einheit mit weiteren ertragsfähigen Objekten beziehungsweise Flächen des betroffenen Grundstücks, die selbst nicht notwendig einem Schutzstatus unterfallen müssen, so sind diese diesbezüglichen Erträge unter Abzug der Investitions- und Bewirtschaftungskosten als Einnahmen in der Wirtschaftlichkeitsberechnung zu berücksichtigen. Werden Schutzobjekte vom Verfügungsberechtigten durch Grundstücksteilungen oder andere grundstücksbezogene Maßnahmen aus der wirtschaftlichen Einheit isoliert oder in ihrer wirtschaftlichen Nutzungsfähigkeit beschränkt, so ist die Einnahmesituation für das Schutzobjekt so anzunehmen, als wenn die isolierenden Maßnahmen nicht stattgefunden haben.“

Bei dem Areal zwischen Lehnitzstraße, Louise-Henriette-Steg und altem Havelarm handelt es sich um das historische Mühlenareal, das trotz Unterteilung in verschiedene Grundstücke immer eine funktionale und damit wirtschaftliche Einheit bildete. Die umliegenden Grundstücke waren noch bis 2015 mit Nebengebäuden des Speichers bebaut. Diese wurden im Rahmen der Baufeldfreimachung für die Wohnbebauung beseitigt. Noch heute basiert das Entwurfs- und Vermarktungskonzept der TAS KG auf der gestalterischen und funktionalen Einheit von denkmalgeschütztem Speicher und Neubauten: Tiefgaragen, und Freiflächengestaltung von Denkmal und Neubauten sind miteinander verwoben. Die gegenwärtig auf dem Areal entstehenden Neubauten sind damit in die Wirtschaftlichkeitsberechnung einzubeziehen. Ein zahlenmäßiger Beleg für die Unwirtschaftlichkeit auch des Gesamtareals fehlt bislang.

Zudem sind auch alternative Nutzungen des Gebäudes zu prüfen, die einen Umbau und eine Nutzungsänderung zu Wohnzwecken nur in Teilen des Gebäudes vorsehen, insbesondere nicht in der gesamten Höhe. Auch ob erhaltungswillige Dritte hier tätig werden können, wurde bisher nicht nachgewiesen.

Gegen den Bescheid kann die TAS OR Speicher GmbH & Co. KG innerhalb eines Monats nach der Zustellung Widerspruch erheben.