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Datum: 09.06.2023

Catcalling ist kein Kompliment!

Gleichstellungsbeauftragte in Oberhavel beteiligen sich an bundesweiter Protestaktion / Sexuelle Belästigungen gesammelt und vor der Kreisverwaltung angekreidet

Aktionstag Catcalling

© Landkreis Oberhavel


„Ey, Süße!“, „Komm mal rüber!“, „Geiler Arsch!“ – Wohl jede Frau kann von solchen und ähnlichen Erlebnissen berichten, gesammelte Rechtfertigungen inklusive. Es sei „doch nur ein Kompliment“ bleibt dabei der unangefochtene Spitzenreiter. Doch solche Sprüche sind alles andere als Koseworte, im Gegenteil: Es handelt sich um eine Form der sexuellen Belästigung. Der zweite bundesweite Protesttag gegen Catcalling hat darauf am Freitag, 09.06.2023, aufmerksam gemacht. In Oberhavel gab es aus diesem Anlass eine gemeinsame Aktion der Gleichstellungsbeauftragten, bei der in den vergangenen Monaten gesammelte Catcalls vor der Kreisverwaltung in Oranienburg angekreidet wurden.

„Catcalling“ – auf Deutsch etwa „Katzen-Rufen“ – fasst verschiedene Arten der sexuellen Belästigung ohne Körperkontakt im öffentlichen Raum zusammen. Das können beispielsweise anzügliche Sprüche oder Kuss- und Pfeifgeräusche sein. Auch aufdringliches Starren oder sexuelle Belästigung in den sozialen Medien, im Supermarkt, im Schwimmbad, am Bahnhof und generell im öffentlichen Raum gehören dazu. Die Angriffe werden meist als gut gemeinte „Komplimente“ abgetan, dabei dienen sie vielmehr der Bloßstellung und Erniedrigung der betroffenen Person. In der Mehrzahl sind Frauen und Mädchen, meist jüngeren Alters, von Catcalling betroffen. Aber auch Männer können darunter leiden. Das sind die Ergebnisse einer Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.


Aktionstag Catcalling

© Landkreis Oberhavel


Auf Initiative der Gleichstellungsbeauftragten in Oberhavel konnten Betroffene deshalb unter der E-Mail-Adresse keinkompliment@oberhavel.de schon seit dem Sommer 2022 Catcalling-Vorfälle direkt melden. 50 Betroffene haben das getan. Sie hatten die Belästigungen, die ihnen widerfahren sind, inklusive Angaben zum Ort und zum Zeitpunkt mitgeteilt. Mit der Aktion waren die Gleichstellungbeauftragten in diesem Frühjahr außerdem bei Aktionsspieltagen des Sportvereins Blau-Weiß Hohen Neuendorf sowie beim Rainbow-Day der Stadt Oranienburg vor Ort.

„Es ist uns wichtig, diese Form der Belästigung öffentlich sichtbar zu machen. Denn auch in Oberhavel werden Menschen wahrscheinlich täglich durch Catcalls belästigt. Darüber wollen wir informieren, die gesammelten Erfahrungen öffentlich machen und natürlich vor allem aufklären“, erklärt Valérie Stroh vom Gleichstellungsbüro des Kreises, die das Projekt gemeinsam mit dem Arbeitskreis der Geleichstellungsbeauftragten Oberhavels organisiert hat. Ebenfalls beim Aktionstag aktiv mit dabei waren die Gleichstellungsbeauftragten Ramona Lopitz aus Hohen Neuendorf, Christiane Bonk aus Oranienburg und Silke Taube aus Oberkrämer. Gemeinsam haben sie die Meldungen in Oranienburg vorgelesen und einzelne Catcalls auf dem Gehweg angekreidet.

„Die Aktion soll das Bewusstsein dafür schärfen, welche Orte wir in Oberhavel besonders in den Blick nehmen sollten“, sagt Valérie Stroh. Dazu gehört zum Beispiel der Fußballplatz, ein traditionell männlich geprägter Raum: „Das ist einer der Orte, an dem Frauen und Mädchen Sexismus, Rassismus und Homophobie erleben. Wenn Mädchen in Jungenmannschaften spielen oder wenn sie optisch nicht in das klassische Bild der ‚Kategorie‘ Frau passen, fallen solche Sprüche.“ Gleiches gilt für die Freiwillige Feuerwehr, ebenfalls ein traditionell männlich geprägter Ort. Auch hier haben Frauen und Mädchen mit Catcalling und sexueller Belästigung zu kämpfen. Valérie Stroh meint: „Catcalling kann überall passieren: auf dem Heimweg, in der Schule, am Arbeitsplatz, beim Sport oder beim Feiern. Häufig werden diese Erfahrungen als gut gemeinte Komplimente abgetan. Wir müssen weiterhin darüber sprechen und die Öffentlichkeit für Sexismus im Alltag sensibilisieren!“

Bisher ist Catcalling in Deutschland, anders als in anderen Ländern, kein eigener Straftatbestand. Der deutschlandweite Aktionstag soll auch auf diesen Missstand aufmerksam machen. Der erste deutschlandweite Aktionstag gegen Catcalling fand 2022 statt. Er wurde von der Gleichstellungsbeauftragten Salzgitters ins Leben gerufen. Etwa 50 Kommunen, auch Oberhavel, hatten sich daran beteiligt.