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Datum: 31.03.2023

Nach Flucht vor Krieg und Gewalt: Sicherer Platz für 200 Menschen

Unterkunft für Geflüchtete in Oranienburg um 200 Plätze erweitert / Weitere Wohnungen entstehen in Marwitz / Landkreis prüft zusätzliche Optionen


Übergabe Modulbau Bykstraße

© Landkreis Oberhavel

Nicht nur in Oberhavel, sondern in ganz Brandenburg und im gesamten Bundesgebiet beschäftigt die Frage, wo geflüchtete Menschen gut und sicher untergebracht werden können, viele Menschen. „Das vom Land prognostizierte Aufnahmesoll für das Jahr 2023 macht uns Sorgen“, hatte Landrat Alexander Tönnies schon im jüngsten Kreistag Anfang März gesagt. Nun hat der Landkreis eine neue Unterkunft für geflüchtete Menschen fertiggestellt, in der ab sofort 200 Plätze bereitstehen. Sozialdezernent Matthias Kahl und Johannes Kühl, Fachbereichsleiter für Soziales und Integration, nahmen die Räume in Oranienburg am Freitag, 31.03.2023, in Augenschein.

In Modulbauweise ist die Unterkunft am schon bestehenden Standort in der Dr.-Heinrich-Byk-Straße erweitert worden. Für den Bau zeichnete die kreiseigene Oberhavel Holding Besitz- und Verwaltungsgesellschaft mbH (OHBV) verantwortlich. Deshalb war auch Markus Meyer, Betriebsleiter der Gesellschaft für Anlagenbewirtschaftung Oberhavel mbH (GfA), ein Tochterunternehmen der OHBV, zur Übergabe der Räume mit vor Ort. Nach nur sechs Monaten Bauzeit entstanden auf zwei Geschossen neben Zimmern auch eine Gemeinschaftsküche auf jeder Ebene, außerdem Aufenthaltsräume, Familienzimmer und natürlich Sanitärräume. Geheizt wird insbesondere mit Wärmepumpen und Solarthermie. Im Außenbereich entsteht gerade noch ein kleiner Spielplatz.

„Klar ist: Menschen auf Dauer hier unterzubringen, entspricht nicht unseren Idealvorstellungen“, erklärt Matthias Kahl. „Deshalb begrüßen wir die Initiative des Landes, Unterkünfte für diejenigen Menschen bereitzustellen, für die es keine langfristige Perspektive gibt, bei uns zu bleiben. Für alle anderen Menschen ist es wichtig, dass wir ihnen schnell Angebote zur Integration und für eine selbständige Arbeit machen können.“

Prognose des Landes und aktuelle Aufnahmezahlen
Schon 2022 hatte Oberhavel sich sehr solidarisch gezeigt und mehr als 3.000 Geflüchtete aufgenommenen – darunter etwa 2.500 Menschen aus der Ukraine. Das vom Land geforderte Aufnahmesoll hatte der Landkreis damit erfüllt. Nun steht der Landkreis vor neuen, ebenso großen Herausforderungen: Die zum Jahresbeginn durch das Land Brandenburg vermeldete Prognose geht davon aus, dass Oberhavel im Jahr 2023 insgesamt 2.400 Geflüchtete neu aufnimmt – das sind 200 Menschen pro Monat. Matthias Kahl verdeutlicht: „Zum Vergleich: In den Jahren 2020 und 2021 hatte Oberhavel durchschnittlich knapp 360 Personen aufgenommen. Aktuell stehen an zehn Standorten mit 22 Häusern rund 1.800 Plätze bereit. Das bedeutet: Wollen wir das Aufnahmesoll 2023 erfüllen, müssten wir unsere jetzigen Kapazitäten mehr als verdoppeln.“ Allein der Blick auf die Zahlen zeigt deshalb, wie angespannt die Situation ist.

Mit Stand vom 29.03.2023 hatte Oberhavel seit Jahresbeginn 192 Geflüchtete aufgenommen. „Laut der Landeszahlen hätten es etwa 400 Menschen mehr sein müssen.“ Die meisten Menschen kamen aus der Ukraine (84 Personen), aus Syrien (27 Personen) und aus Afghanistan (24 Personen).

Landkreis schafft zusätzliche Unterkünfte für Geflüchtete
Um in jedem Fall gut vorbereitet zu sein, wird der Landkreis deshalb gemeinsam mit der OHBV zusätzliche Unterkünfte für Geflüchtete schaffen. Dabei setzt der Kreis auf einen Mix aus bestehenden Gebäuden und Neubauten. Deshalb werden – wie schon im Januar angekündigt – in der Lindenstraße in Marwitz Wohnungen für Geflüchtete gebaut. Etwa 90 Menschen können hier spätestens im Frühjahr 2025 leben. Einige Wohnungen werden bereits Ende 2024 bezugsbereit sein. Konkret sind 30 Wohnungen unterschiedlicher Größe geplant. Zunächst werden sie für die Unterbringung Geflüchteter dienen, später soll hier möglichst ein Wohnmodell entstehen, das je zu einem Drittel allen Wohnungssuchenden, Menschen, die Sozialleistungen empfangen, und Geflüchteten ein Zuhause bieten kann. Ein ähnliches Projekt hat die OHBV in Glienicke/Nordbahn bereits erfolgreich umgesetzt.


Übergabe Modulbau Bykstraße

© Landkreis Oberhavel


„Dass das nicht ausreicht, ist uns allen bewusst. Umso wichtiger ist es, dass wir in ganz Oberhavel weiter im Gespräch bleiben, um zusätzliche Möglichkeiten für die Unterbringung von Flüchtlingen zu finden“, sagt Matthias Kahl. „Wir prüfen aktuell weitere Möglichkeiten.“ Dazu zählt die Erweiterung der bestehenden Gemeinschaftsunterkunft in Lehnitz um etwa 200 Plätze und die Einrichtung einer Gemeinschaftsunterkunft in Oranienburg-Eden in der Landwirtschaftsschule „Luisenhof“ mit etwa 100 Plätzen. Zeitweise kann auch das Ferienobjekt des Landkreises in Neuglobsow als Notunterkunft bereitstehen – aufgrund der baulichen Ausstattung allerdings nur in den Sommermonaten. Insgesamt stünden damit etwa 650 Plätze zur Verfügung.

„Angesichts der prognostizierten Zuwanderung von 2.400 Menschen haben wir deshalb vorsorglich auch mit zwei kreiseigenen Schulen über die mögliche Nutzung ihrer Sporthallen als Notunterkunft für Geflüchtete gesprochen. Das betrifft die Sporthalle am Oberstufenzentrum in Zehdenick und die Sporthalle am Luise-Henriette-Gymnasium in Oranienburg“, erklärt Matthias Kahl, der bereits mit den Schulleitungen gesprochen und die hier trainierenden Sportvereine informiert hat. Er bedauert, dass in Zehdenick das Gebäude der ehemaligen Förderschule aufgrund eines Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung nicht mehr als mögliche Unterkunft zur Verfügung steht.

Weitere Optionen werden geprüft
„Natürlich prüfen wir weitere Ideen im ganzen Landkreis, auch weil wir uns darauf einstellen müssen, dass die Zuwanderung auch in den kommenden Jahren nicht weniger wird“, sagt Kahl.
Mögliche Objekte beziehungsweise Areale, wo Unterkünfte gebaut oder umgebaut werden könnten, befinden sich in Velten (Hohenschöpping), in Liebenwalde, Hohen Neuendorf, Hennigsdorf und Oranienburg. Hier führt der Landkreis aktuell beispielsweise Standortuntersuchungen durch oder spricht mit Eigentümern von Immobilien. „Dass hier wirklich etwas passiert, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber nicht spruchreif. Sobald wir Entscheidungen zu möglichen Standorten getroffen haben, werden wir darüber rechtzeitig informieren“, so Matthias Kahl. Er erklärt: „Wir wollen niemanden verunsichern und wir wollen keine Gerüchte streuen. Deshalb berichten wir erst, wenn wir ganz genau wissen, was wir tun wollen und können – und was anhand der Landeszahlen auch realistisch notwendig ist. Denn die Planung von Gebäuden und benötigten Plätzen ist ja gerade deshalb so schwierig, weil wir schlicht nicht wissen, wie viele Menschen wann zu uns kommen.“


Übergabe Modulbau Bykstraße

© Landkreis Oberhavel


Zugleich bedankt sich der Landkreis bei allen Kommunen, die schon seit vielen Jahren geflüchtete Menschen unterbringen und die in ihrer Kommune Integrationsarbeit leisten. Der Kreis bemüht sich auch künftig weiter um eine flächenmäßige Verteilung auf ganz Oberhavel. Klar ist aber auch: Angesichts der aktuellen Lage wird das nicht immer gelingen.

Landrat appelliert ans Land Brandenburg
Beschäftigt ist der Landkreis daneben anhaltend mit Anfragen von Menschen aus der Ukraine, die aus den bisher bereit gestellten privaten Unterkünften ausziehen müssen. „Bisher ist es uns hier gut gelungen, die Menschen in unseren Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen. Inzwischen führen wir Wartelisten. Neben Wohnraum werden zusätzliche Kita- und Schulplätze, Integrationskurse und Sozialleistungen benötigt“, sagt Landrat Alexander Tönnies. „Unser gesamtes Sozialsystem und unsere soziale Infrastruktur werden damit derzeit und absehbar erheblich belastet. Deshalb erfüllt mich die Situation mit großer Sorge. Denn provisorische Unterkünfte, die dann zu Langzeitlösungen werden, werden niemandem gerecht. Dass das keine Dauerlösung sein kann, habe ich gemeinsam mit meinen Amtskollegen auch auf der Landrätekonferenz am Mittwoch in Potsdam sehr deutlich gemacht!“