Alkohol in der Schwangerschaft ist ein Tabu!
Gesundheitsamt Oberhavel warnt vor körperlichen und geistigen Schäden bei Kindern / Einblick in die Welt von Betroffenen mit Fetaler Alkoholspektrum-Störung bei Expertenveranstaltung
Das kleine Gläschen in der Schwangerschaft kann doch nicht schädlich sein? Das ist ein noch immer weit verbreiteter Irrglaube. Die Fetale Alkoholspektrum-Störung – kurz FASD – ist die häufigste chronische Erkrankung bei Neugeborenen in Deutschland. „Alkohol gefährdet das ungeborene Kind in der Schwangerschaft. Jeder Schluck gelangt über das Blut der Mutter in den Fötuskreislauf und kann Organschäden, besonders im Nervensystem, verursachen. FASD beschreibt die körperlichen und geistigen Schäden, die durch Alkoholkonsum während der Schwangerschaft verursacht werden“, sagt Oberhavels Amtsärztin Simone Daiber am Tag des alkoholgeschädigten Kindes, der jedes Jahr am 9. September auf deren Schicksale aufmerksam macht. „Wenn Sie schwanger sind, verzichten Sie auf Alkohol, um Ihr Kind zu schützen. Durch den Verzicht auf Alkohol während der Schwangerschaft sind diese Schäden vermeidbar!“
Alkohol gilt als Volksdroge Nummer eins. Der Konsum ist gesellschaftlich akzeptiert. Jeder Deutsche trinkt durchschnittlich 9,6 Liter Reinalkohol pro Jahr. Das sind etwa 325 kleine Flaschen Bier (107,2 Liter), 32,5 Flaschen Wein und Schaumwein (24,3 Liter) und mehr als sieben Flaschen Spirituosen (5,4 Liter). Diese Menge entspricht dem Inhalt einer Badewanne. Doch es sind nicht allein die Vieltrinker, die ihre Gesundheit aufs Spiel setzen. Die wenigsten wissen: Man muss nicht erst süchtig werden, um alkoholbedingt zu erkranken. Schon regelmäßiger Alkoholkonsum, der von den meisten als gering betrachtet wird, kann Organe schädigen, das Krebsrisiko steigern und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen. In der Schwangerschaft gefährden Mütter ihr ungeborenes Kind mit dem oft als harmlos deklarierten „kleinen Gläschen“.
Nach Schätzung der Bundesdrogenbeauftragten kommen hierzulande jährlich etwa 10.000 Kinder auf die Welt, die unter einer Form der FASD leiden. Ihre körperliche und geistige Entwicklung ist gestört. Sie haben ihr Leben lang mit Einschränkungen zu kämpfen. Ursache dafür ist die Schädigung des Frontalhirns und die daraus resultierende Störung der geistigen Fähigkeiten, mit denen Menschen ihr Verhalten steuern und sich der Umwelt anpassen können. Menschen mit FASD haben oft Schwierigkeiten in allen Lebensphasen, es fällt ihnen schwerer, den Alltag zu bewältigen. Ein selbstbestimmtes Leben ist nur den wenigsten mit FASD möglich. „Deshalb ist es so wichtig, das Thema in den Fokus zu rücken“, sagt Simone Daiber. „Aufklärung, Suchtprävention und Unterstützung der Frauen und Familien in schwierigen Lebenssituationen sind wesentliche Komponenten, um das Ungeborene zu schützen. Nutzen Sie die Beratungsangebote des Gesundheitsamtes, um sich umfassend über die Risiken von Alkoholkonsum während der Schwangerschaft zu informieren und betroffene Familien zu unterstützen.“
Expertentagung für mehr Hilfe
Das Gesundheitsamt des Landkreises Oberhavel lädt medizinisches und sozialtherapeutisches Fachpersonal im Rahmen des Projekts „Gesund aufwachsen im Landkreis Oberhavel“ zu einer Expertentagung ein – die zweite zum Thema FASD im Landkreis Oberhavel. Ärztinnen, Ärzte, Hebammen und Geburtshelfer, Richterinnen und Richter, (sozial-)pädagogische Fachkräfte, Lehrkräfte, Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen, Psychologinnen und Psychologen, Erziehungspersonal, Auszubildende, Studierende und andere Interessierte, die beruflich, als Pflegeeltern oder Adoptiveltern Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit FASD betreuen, kommen am 18.09.2024 zusammen. Betroffene des FASD-Fachzentrums Berlin des Evangelischen Kinderheims Sonnenhof e.V. berichten von ihren Erlebnissen und dem Alltag mit dieser Diagnose. „Ihre ehrlichen und berührenden Geschichten werden einen Einblick in die Herausforderungen im Leben mit dieser Krankheit geben“, blickt Simone Daiber voraus. „Mit der Veranstaltung wollen wir weiter sensibilisieren, die Fachexpertise in Oberhavel erweitern und Hilfesysteme dem Bedarf der Betroffenen mit FASD anpassen.“