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Konversion in Oberhavel

Der Begriff Konversion (auch Umnutzung oder Nutzungsänderung) beschreibt in der Stadtplanung die Wiedereingliederung von Brachflächen in den Wirtschafts- und Naturkreislauf oder ihre wirtschaftliche Belebung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bezeichnete der Begriff „Konversion” meist die Umwandlung von militärischen Flächen sowie militärischen Anlagen (Konversionsflächen) für zivile Zwecke.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs (1945) wurde Deutschland unter den Siegermächten aufgeteilt und der Osten des Landes zählte zur sowjetischen Besatzungszone. In Oberhavel ist das Thema Konversion seit 20 Jahren brandaktuell. Auf insgesamt 62 ehemaligen Liegenschaften der russischen Streitkräfte mit 6.800 Hektar sowie diversen Arealen der ehemaligen Grenztruppen der DDR oder der Nationalen Volksarmee sind mittlerweile Wind- und Solarparks, Gewerbegebiete oder sogar Wohnungen entstanden. Der größte Teil der Konversionsflächen umfasst Wald. Rund 1.000 Hektar Wald hat der Landkreis Oberhavel bisher gekauft. Die Forstflächen wurden oder werden aufgeforstet und bewirtschaftet, um Holz zu ernten. Dieser Holzertrag dient beispielsweise dazu, kreiseigene Gebäude zu beheizen. In der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule Mühlenbeck ist dies derzeit möglich. Geplante Bauprojekte sollen ebenfalls mit dieser Technik ausgestattet werden.

Im Folgenden finden Sie eine Übersicht über die großen Konversionsprojekte in Oberhavel:

Die Weiße Stadt Oranienburg

Die Weiße Stadt in Oranienburg ist eine in den Jahren 1937 bis 1938 erbaute Werksiedlung für die Mitarbeiter der damaligen Heinkel-Werke Oranienburg (HWO). Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Siedlung als sowjetische Kaserne und der nahegelegene Flugplatz als Militärflughafen genutzt. Beide waren für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Das durch einen Bombenangriff schwer beschädigte Gebäude der ehemaligen Hans-Schemm-Schule – unweit der Weißen Stadt liegend – wurde ab 1945 als Stabsgebäude der sowjetischen Garnison genutzt und zur militärischen sowjetischen Kommandozentrale umfunktioniert.

Nach der Deutschen Wiedervereinigung wurde die Kasernenanlage ab September 1993 bei laufenden militärischem Betrieb (der Abzug der sowjetischen Armee befand sich in der Vorbereitung) zurückgebaut und als Wohnsiedlung umfassend saniert. Innerhalb weniger Monate erfolgte durch den Investor auch der Umbau und die Sanierung des Stabsgebäudes zur Schule. Ein Vertrag zwischen dem Investor, der sowjetischen Garnison und dem damaligen Landkreis Oranienburg, regelte nach Fertigstellung des Baus den Übergang des Gebäudes in die Trägerschaft des Landkreises. Mit der Übernahme erhielt die Kreisstadt Oranienburg ein zweites Gymnasium – das Louise-Henriette-Gymnasium.

Das Louise-Henriette-Gymnasium nahe der Weißen Stadt.

© Landkreis Oberhavel

Röblinseesiedlung in Fürstenberg

Am Südufer des Röblinsees entstanden ab dem Jahr 1900 erste repräsentative Villen. Ab 1920 entwickelte sich das Gebiet am südlichen Ufer des Röblinsees zu einer eigenständigen Siedlung. Als Folge des

Zweiten Weltkrieges besetzten russische Truppen die Siedlung, riegelten sie vollständig von der Öffentlichkeit ab und richteten den Generalstab der 2. Gardepanzerarmee ein. Russische Offiziere und ihre Familien bewohnten in dieser Zeit die Villen und Landhäuser.

Nach dem Abzug der GUS-Truppen aus Deutschland im Jahr 1994 wurden die inzwischen ruinösen Objekte an die rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben. Die kommunale Infrastruktur, wie Telefon, Strom, Gas, Wasser und Abwasser, war nicht mehr nutzbar. Mit Fördermitteln stellte die Stadt Fürstenberg/Havel die Infrastruktur dieser Siedlung wieder her.
Alte Eigentümer, deren Nachkommen sowie neue Grundstückserwerber restaurierten und sanierten die alten Villen und Landhäuser aus privaten Mitteln und mit eigener Kraft zur heutigen Schönheit. Architektonisch interessante Häuser sind neu hinzugekommen und lassen die Siedlung weiter wachsen.

Konversion: 20 Jahre nach dem Abzug der russischen Streitkräfte war sie nahezu vollzogen.

© Landkeis Oberhavel

Lychen

Das Sonderwaffenlager Himmelpfort – umgangssprachlich als Lychen II bezeichnet – war ein Kernwaffendepot auf dem Gebiet der Gemeinde Himmelpfort, heute ein Ortsteil der Stadt Fürstenberg/Havel. Es gehörte zu den 21 existenten Kernwaffendepots in der DDR, hier lagerten atomare Sprengköpfe.

Im Juli 2010 hat der Landkreis Oberhavel das Gelände von der Brandenburgischen Boden Gesellschaft (BBG) gekauft, um es zu renaturieren. Der Landkreis verpflichtete sich vertraglich zum Abriss von zehn Gebäuden (24.850 m³). Tatsächlich wurden sämtliche Gebäude (36 Gebäude/bauliche Anlagen, 81.577 m³) abgebrochen, darunter ein Rückbau der ober- und unterirdischen Einrichtungen einer Tankstelle mit Tanklager. Zudem wurden ein Schornstein gesprengt und rund 11.727 m² befestigte Fahrbahnflächen entfernt. Dabei sind 42.500 Tonnen Abfälle (Beton, Ziegel, Asbest, Altholz, Reifen, Siedlungsabfälle, etc.) angefallen, die entsorgt wurden. Heute sind die Eingänge der zwei noch verbliebenen Zentralbunker mittels Betonfertigteilen zugestellt und gesichert. Von ihnen geht keine Gefahr mehr für Spaziergänger aus. Die Kosten für diese Maßnahmen belaufen sich auf 1.250.000 Euro, 250.000 Euro hat der Landkreis selbst finanziert, knapp 940.000 Euro stammen aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).

Auf der entsiegelten Fläche von 4,5 Hektar ist für 2015 eine Wiederaufforstung für 12.500 Euro geplant. Fledermausquartiere wurden in dem Gebiet bereits angelegt.

Die Konversion in Lychen ist nahezu abgeschlossen.

© Landkeis Oberhavel

Ehemaliger Schießplatz Kannenburg

Der Landkreis hat das 304 Hektar große Gelände im November 2012 von der Brandenburgischen Boden Gesellschaft (BBG) gekauft, um es zu renaturieren. Die Liegenschaft wurde von Juni bis November 2013 von Kampfmitteln beräumt. Es wurden insgesamt 19.795 Kampfmittel (circa 33 Tonnen) geborgen. Neben 10.901 Stück Handwaffenmunition befanden sich darunter auch 7.869 Granaten. Nicht transportfähige Kampfmittel wurden vor Ort gesprengt. Danach konnte das Betretungsverbot aufgehoben und der Wald der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. Kannenburg ist heute als Ausflugsziel bei Wanderern und Pilzsammlern beliebt.

Die Maßnahmen haben rund 1 Million Euro gekostet, wobei die Summe auch hier wieder zu Zweidritteln aus EFRE-Mitteln finanziert wurde. Im Jahr 2015 wird ein Aufforstungsplan erarbeitet